Navigation auf uzh.ch
Senioren werden dazu angehalten, möglichst zu Hause zu bleiben. Doch wie beeinflusst dieser gut gemeinte Ratschlag ihr Aktivitätsniveau? Reicht regelmässiges Fitnesstraining, um gleich aktiv wie vor der Krise zu bleiben? Wir haben bei ZIHP-Gründer Alexander Borbély nachgefragt, der dieser Frage im Selbstversuch nachgegangen ist.
Alexander Borbély
Der Mensch und auch die anderen Lebewesen sind dem 24-Stunden Zyklus der Umwelt unterworfen. Die Periodik von Sonnenlicht und Dunkelheit sowie von Wärme und Kälte bestimmt seit jeher unseren Tagesablauf und insbesondere den Ruhe-Aktivitätszyklus.
Seit September 1982 trage ich ständig ein Messgerät am Handgelenk, das meine Aktivität aufzeichnet. Den Prototyp von diesem Gerät hatte ich als Professor am Pharmakologischen Institut der Universität Zürich entwickelt. Wir waren damals in Europa die ersten, die die Möglichkeiten des mobilen Aktivitätsmonitorings für die Schlaf- und Gesundheitsforschung aufzeigten [1]. Heute, nach der Pensionierung, interessieren mich vor allem die Veränderungen des Aktivitätsmusters und der Schlafdauer.
Ausflüge im Rentenalter halten das Aktivitätsniveau hoch
Nun, ich konnte sehen, dass meine Bewegungsaktivität im Laufe der Jahre abgenommen hat. Die fast ständige Bewegung tagsüber, die meine Forschungstätigkeit, die vielen Anlässe und Sitzungen an verschiedenen Orten sowie die Verpflichtungen bis in die Abendstunden als Prorektor mit sich brachten, verringerte sich nach der Emeritierung.
Doch nicht umsonst wird diese Phase mit «Unruhestand» bezeichnet, blieben doch immer noch Aktivitätsphasen aufgrund von Ausflügen, Reisen, Konzertbesuchen, Sport, Einkaufen und vielem anderen gut erkennbar. Die Coronakrise hat all dem schlagartig ein Ende gesetzt.
«Bleiben Sie zu Hause» bedeutet weniger Bewegung
Wie sich der Lockdown und der Ratschlag, zu Hause zu bleiben, auf meine Aktivität auswirken, ist in der Abbildung ersichtlich, die meine Aktivität zwischen dem 19. Februar und dem 30. März dieses Jahres darstellt. Vor dem Lockdown ist eine beträchtliche Aktivität in der ersten Hälfte des Tages ersichtlich. Das Muster ändert sich am 15. März jedoch schlagartig und zeigt seither eine deutlich reduzierte Bewegungsaktivität, selbst bei prächtigem Sonnenschein (gelbe Bereiche). Die einzelnen Aktivitätspeaks kommen durch das periodische Fitness-Training zustande, das ich in meinen Tagesplan regelmässig einbaue aber das mich nie auf das Aktivitätsniveau wie vor dem Lockdown bringt.
Eine solche ausgesprochene Aktivitätsverminderung dürfte auf viele Personen meiner Alterskategorie zutreffen, die ihre Tage zuhause verbringen. Wer sich nicht schon vor dem Lockdown bewusst häufig bewegt hat, dem fällt diese Aktivitätsverminderung vielleicht nicht besonders auf. Aber schon der Gang zur Post, die Velofahrt zum Kaffekränzchen, das Rausbringen des Abfalls oder die Einkaufstour durch den Supermarkt reichen, um eine gewisse Grundaktivität zu erhalten, welche sich positiv auf die Gesundheit auswirkt. Dass das Wegfallen dieser Aktivitäten einen beachtlichen Einfluss auf die Gesundheit von älteren Menschen hat, vor allem wenn sie chronisch wird, sollte man sich unbedingt bewusst sein.
Es gilt dieser Inaktivität entgegenzuwirken
Damit wir Senioren unseren Fitnesszustand von der Zeit vor dem Coronavirus aufrechterhalten können, sollten wir periodisch Kreislauf- und Krafttraining absolvieren. Dazu gibt es glücklicherweise zahlreiche Anleitungen im Internet. Für die Gesundheit und das Wohlbefinden ist indessen ebenfalls wichtig, den 24-Stunden Rhythmus beizubehalten und von den gewohnten Schlaf- und Essenszeiten nicht abzuweichen, sodass man nicht zu sehr in eine Passivität fällt. Dazu gehört auch, sich weiterhin um Haus und gegebenenfalls Garten oder Balkon zu kümmern, auch wenn niemand vorbeikommt und sich am angesammelten Staub stört. Denn auch Hausarbeiten bringen den Kreislauf mächtig in Schwung.
Solange ich mich zu Hause im Lockdown befinde, fühle ich mich vor dem Coronavirus sicher. Daher ist der Ratschlag, zu Hause zu bleiben, für mich sinnvoll. Doch die Aufzeichnungen meines Handgerätes führen mir das verminderte Aktivitätsniveau trotz Fitnesstraining vor Augen. Ich bin mir der Gefahr bewusst, dass dies langfristige negativen Konsequenzen für meine Gesundheit haben kann und arbeite aktiv dagegen. Dies während dem ich auf das Wiederhochfahren des aktiven Lebens warte, auf das ich mich sehr freue. Denn wer hat schon in meinem Alter eine begründete Hoffnung auf eine kleine Renaissance?
[1] Borbély A. et al., Lanzeitregistrierung der Bewegungsaktivität: Anwendungen in Forschung und Klinik, Schweiz. Med. Wschr (1981), 111:730-735
Artikel als pdf herunterladen (PDF, 697 KB)